Diese Form von Chanukka-Leuchter wird als Banktypus bezeichnet. Die technischen Begriffe aus der Werkstatt des Silberschmids sind mit getrieben, graviert, ziseliert und reliefiert beschrieben. Das Objekt ist 22,5 cm hoch, 27,5 cm breit und mit 652 Gramm Gewicht relativ leicht.
 
Aus dem Meisterzeichen ist Emanuel Goldberger als Silberschmid abzulesen, der 1886 ein Gewerbe in der Auhofstraße 13 angemeldet hatte. Die eingeschlagene Punze zeigt den Kopf der Diana mit einer Mondsichel und den Buchstaben A für Wien. Akanthusblatt, Lilien und anderes Blatt- und Blumenwerk weisen mit den architektonischen Formelementen stilistisch in die Neogotik, wie sie auch für das Laxenburger Schloss oder das Wiener Rathaus eingesetzt wurden.
 
Mittig sind zwei Gesetzestafeln zu erkennen, die von zwei steigenden Löwen flankiert werden, die gespaltene Schwänze haben. Diese Art Löwe war Teil des böhmischen Wappens. Den exakten Weg vom Auftraggeber über den Künstler zu einem Haushalt, in dem der Leuchter während des Chanukka-Festes verwendet wurde, ist nicht mehr nachzuzeichnen. Die Datierung des Objekts verweist direkt in die Zeit der Monarchie und die besondere Anatomie der Löwen auf dem Leuchter macht deutlich, dass Religion und Patriotismus in Dialog treten können.
 
 
Rechts oben ist der Schamasch zu erkennen, mit dessen Licht, die Chanukkia wird mit Öl und Dochten betrieben, die acht unten platzierten Ölbrenner entzündet werden. Darunter befindet sich ein querrechteckiger Abtraufkasten, der auf vier geschweiften Füßen steht. Nicht sichtbar ist die rückwärtig angebrachte Hängeöse, mit der der Leuchter an einer Wand befestigt werden kann.
 
Dieses Objekt ist Teil der Sammlung Max Berger, die anlässlich der Wiederbegründung des Jüdischen Museums Wien 1986 übergeben wurde. Der 1926 geborene Max Berger war der einzige seiner Familie, der die Shoah überlebt hatte und war 1945 als Displaced Person in Wien gestrandet. Er blieb hier, baute ein Möbelunternehmen auf, gelangte zu Wohlstand und legte eine wirklich große Judaica-Sammlung an, die er in seiner Wohnung ausstellte und seinen Gästen präsentierte. Warum Max Berger gerade diesen Leuchter in seine Sammlung aufnahm, ist nicht bekannt. Die Sammlung des Jüdischen Museums Wien enthält nur diese Arbeit von Emanuel Goldberger.
 
Die Kombination der Begriffe „Chanukka“ und „Berger“ beim Eingeben in die Suchmaske des Museumsinventars ergibt 116 Treffer. Darunter befinden sich Leuchter, das beliebte Chanukka-Spielzeug Dreidl und auch ein Portrait von Theodor Herzl aus dem Jahr 1930 von Wilhelm Wachtel, der dieses Portrait nach fotografischen Vorlagen schuf und vom Künstler als Geschenk an den „Herzl-Club“ übergeben wurde. Um welchen Club es sich genau handelt, ist nicht eruierbar. Derartige Organisationen wurden im Zusammenhang mit der Erstarkung der zionistischen Bewegung in vielen österreichischen und deutschen Städten gegründet.
 
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Bild © JMW
 
Theodor Herzl hatte im Dezember 1895 in seiner Wohnung einen geschmückten Baum stehen, als Rabbiner Güdemann zu Besuch kam. Beide Herren notierten über diese Begegnung in ihren Tagebüchern:
 
„Eben zündete ich den Kindern den Weihnachtsbaum an, als Güdemann kam. Er schien durch den „christlichen“ Brauch verstimmt. Na, drücken lasse ich mich nicht! Aber meinetwegen soll’s der Chanukkabaum heißen – oder die Sonnenwende des Winters?“
 
„So ging ich am 24. Dezember zu ihm in die Pelikangasse, glaube Nr.16, wo er wohnte. Ich wurde in ein großes Empfangszimmer eingelassen und fand dort – man stelle sich meine Überraschung vor – einen großen Christbaum. Bald trat Herzl ein (…). Die Unterhaltung – in Gegenwart des Christbaums – war schleppend und ich empfahl mich bald.“
 
(aus „Solls der Chanukkabaum heißen“ Chanukka, Weihnachten, Weihnukka, Verlag DAS ARSENAL, S. 8)
 
Titelbild © JMW