26. Oktober 2021
Hinter den Kulissen

Briefe aus Hollywood

von Caitlin Gura-Redl
Briefe aus Hollywood
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Nach der Ausstellung Lady Bluetooth im Museum Judenplatz erwarb das Jüdische Museum Wien mithilfe der großzügigen Unterstützung der US-Friends den Nachlass von Hedy Lamarr von ihrem Sohn Anthony Loder. Seitdem wird der vielfältige und umfassende Bestand im Museumssammlung inventarisiert. Ein Konvolut von Briefen, die Hedy Lamarr (1914–2000) aus Hollywood zwischen 1938 und 1941 an ihre Mutter Gertrud Kiesler (1891–1977) im Londoner Exil schrieb. Sie liefern intime, persönliche Einblicke in Hedy Lamarrs Leben in den sehr frühen Hollywood-Jahren. Die Studios hatten damals hart an den makellosen Images ihrer Stars gearbeitet und hatten oft verlangt, dass zeitgenössische Zeitschriftenberichte sowie Interviews die Wahrheit schöngefärbt oder erfunden werden mussten.* Das Konvolut hilft, Fakt von Fiktion in den zeitgenössischen und späteren Berichten über dieses Kapitel von Hedy Lamarrs Leben zu unterscheiden. Die Briefe sind auf Deutsch und mit Bleistift verfasst, das Briefpapier stammt entweder von Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) oder der Hedgerow Farm (einer ihrer Wohnsitze in Kalifornien).
 
Ein Brief vom 10. April 1940 offenbart, wie die Beziehung zwischen Hedy Lamarr und ihrem berüchtigten Ex-Ehemann Fritz Mandl verlief, nachdem sie ihn 1937 verlassen hat, um eine Schauspielkarriere in Hollywood zu verwirklichen. Dieses Objekt dient als Beweis für das oft angespannt beschriebene Verhältnis zwischen ihnen. Im Brief beschwerte sie sich über die ungewollten Kontaktversuche von Seiten Fritz Mandl, der auch wegen des „Anschlusses“ 1938 fliehen musste: „Fritz hat mich wieder angerufen und will mich unbedingt nach S[üd] Amerika mitnehmen, ein völliger Narr – Daraufhin habe ich gleich meine Telefonnummer geändert. Er wollte mich nämlich bevor er wegfährt extra anrufen – und auf einen Tag herfliegen um alles mit mir zu besprechen – unerhört.“ Ihre Mutter Gertrud hingegen korrespondierte wohl gern weiter mit Fritz Mandl, wie erhaltene Briefe von ihm adressiert an sie im Nachlass nahelegen.
 
Obwohl Hedy Lamarr in den anderen Briefen meistens einen positiven Ton anschlägt, kann man vor allem anhand der Verwendung des Wiener Dialekts eine Spur Heimweh lesen – eine Sehnsucht nach dem Altvertrauten. In einem Brief, datiert mit 4. November 1938, war es überraschend folgende Worte zu lesen: „Servus, Alte – Deine Hedl“. Dieser umgangssprachliche Ausdruck erinnert mich eher an die Wiener Jugendsprache von heute. Ob Hedy Lamarr das „Alte“ auch als „Oide“ ausgesprochen hätte? Außerdem wirft es die Frage auf, ob sich ihre Mutter über diesen „Kosenamen“ wirklich gefreut hat? Einen noch bekannteren Wiener Ausdruck – aus der Geschichte des lieben Augustins stammend – schrieb Hedy Lamarr am 14. April 1940: „A Weana geht net unter!“
 
Zehn Jahre nach Kriegsende reiste sie für das erste und letzte Mal nach ihrer Flucht 1937 vor Fritz Mandl nach Wien. Sie besuchte die wichtigen Standorte ihrer Kindheit sowie die Wiener Sehenswürdigkeiten (mehr dazu können Sie im Blogbeitrag „Zinshaus, Villa und Palais – Eine Tour zu Hedy Lamarrs Wiener Lebensorten“ von Andrea Winklbauer lesen). Nach ihrem Tod im Jänner 2000 wurde sie eingeäschert; ihre Asche wurden nach Wien gebracht: ein Teil wurde von ihren Kindern Denise und Anthony Loder im Wald nahe „Am Himmel“ im Wiener 19. Gemeindebezirk verstreut und der andere Teil in einem Ehrengrab im Zentralfriedhof bestattet. Mit dem Erwerb ihres Nachlasses wird ihre Rückkehr nach Wien vollendet und ihr Legacy wird im Jüdischen Museum Wien weitererzählt.
 
* Vgl. Jeanine BASINGER: The Star Machine, New York 2007, 45-47.

Jüdisches Museum Wien: