05. Dezember 2022
Unter der Lupe

„War ganz ok“

von Adina Seeger & Domagoj Akrap
© Ouriel Morgensztern
Besucherbücher sind schon was Nettes. Sie ermöglichen einer Person ihre Meinung anonym und unbeobachtet kund zu tun. Sowohl Kritik, wie auch Lob fällt einem so unter Umständen leichter – ungefiltertes Feedback also, das für uns sehr wertvoll ist.


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Vor mittlerweile mehr als eineinhalb Jahren eröffnete am Museumsstandort Judenplatz die neue Dauerausstellung zur Geschichte der ersten jüdischen Gemeinde in Wien. Mittlerweile liegt schon das fünfte Besucherbuch in der Ausstellung auf und erfreut sich vieler Einträge – wir finden darin Namen in diversen Sprachen und Schriften, kleine Zeichnungen als „künstlerische“ Erinnerungen finden darin ebenso Platz, wie Wünsche oder Beschwerden. Es begegnen uns Einträge von allen Kontinenten: neben zahlreichen aus den USA, Kanada oder Israel, auch solche aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Nigeria, Pakistan, Südkorea oder Kolumbien, um nur ein paar Länder zu nennen.

“I loved it so many buttons to press”


Als Kurator:innen der Ausstellung freut uns natürlich besonders, das unter den Einträgen Lob und positives Feedback überwiegen. Wer liest nicht gern Sätze wie:

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„BESTES MUSEUM IN WIEN!“


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„Eine Sehr gute und coole Austellung

 

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„Wer auch immer das hier alles erfunden hat ich danke ihm mit vielen lieben Grüßen“


Na ja, ganz erfunden haben wir das alles natürlich nicht. Da gab und gibt es schon namhafte Forscher:innen, auf deren Ergebnissen wir aufbauen konnten. Besonders gelobt wird der hohe Informationsgehalt der Ausstellung, die vielen interaktiven Stationen sowie die Installation aus Augmented und Virtual Reality im Bereich der Synagogenausgrabung, die uns das dicht bebaute jüdische Viertel, das damals am Judenplatz stand und vor allem die Synagoge selbst näherbringt. Dass wir bei der Konzipierung der Ausstellung auch an Kinder gedacht haben, wird ebenfalls positiv hervorgehoben:

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„Sehr cool, cooles Abpausspiel!“

 

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„I loved it so many buttons to press.“


„Mier ist dieses Museum spannend aber ich liebe nicht so sehr zu lesen



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Auf der kritischen Seite, wird des Öfteren bemängelt, dass die Texte nicht auch auf Hebräisch sind, da wir doch ein Jüdisches Museum sind und schließlich Hebräisch die Sprache der Jüdinnen und Juden sei. Die Ausstellung ist zweisprachig – Deutsch und Englisch – wie alle unsere Ausstellungen, vor allem vor dem Hintergrund, dass Englisch die inklusivste zweite Sprache ist, die wir als Museum im deutschsprachigen Raum wählen können.

Manchen Besucher:innen beklagen gar zu viel Text in der Ausstellung. Da halten wir es grundsätzlich mit: besser zu viel als zu wenig. Zudem gibt es eine Texthierarchie, die wir eingeführt haben, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass viele Besucher:innen mit wenig Zeit ins Museum kommen: für all jene gibt es Kurzfassungen der Inhalte am Anfang jedes Überblicktexts.
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© Ouriel Morgensztern

Für uns sind die Rückmeldungen zur großen Textmenge jetzt Anlass uns nochmals anzuschauen, wie wir deutlicher machen können, dass es verschiedene Vertiefungsebenen gibt und unsere Besucher:innen nicht alles lesen müssen, um viel aus der Ausstellung mitnehmen zu können.

Museum Judenplatz statt Schönbrunn


Wenn man dann aus einem Eintrag erfährt, dass unserem Museum der Vorzug gegenüber Schönbrunn (dem ältesten Zoo oder gar dem Schloss?) gegeben wurde, freut uns das umso mehr. Besucherbücher zeigen aber noch viel mehr. Sie sind auch Stimmungsbilder. Seit März finden wir im Besucherbuch auch Verweise auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – meist verbunden mit Aufforderungen zum Frieden.

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Etliche weitere Einträge machen uns auf den nach wie vor gegenwärtigen Antisemitismus, der gerade in den letzten Jahren durch die Pandemie Aufschwung erfuhr, aufmerksam. Im letzten Herbst schrieb ein/e Besucher:in:

 

„Es tut mir aber sehr leid,
dass vor jedem Jüdischen Denkmal die Soldaten
stehen müssen

 

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Auch Beobachtungen wie diese offenbaren Besucherbücher, wodurch Sie uns immer wieder den abnormalen Zustand der leidigen „Normalität“ jüdischen Lebens in Österreich (und Europa) vor Augen führen.

Verfassen auch Sie eine Rezension nach dem Besuch der Ausstellung "Unser Mittelalter! Die erste jüdische Gemeinde in Wien" im Museum Judenplatz. Wir freuen uns!