24. Januar 2025
Eine kleine Zeitreise
von Barbara Staudinger
Vor 130 Jahren, 1895, wurde das weltweit erste Jüdische Museum in Wien eröffnet. Einige Männer aus der jüdischen Gemeinde hatten sich zusammengefunden, um dieses Projekt zu verwirklichen, das viel bewirken wollte: In der „Hauptstadt des Antisemitismus“, wo Karl Lueger 1895 Stadtrat war und nur zwei Jahre später Bürgermeister werden sollte, wollten die Museumsgründer Antisemitismus durch Bildung über das Judentum bekämpfen. Gleichzeitig sollte die weitgehend assimilierte, eingesessene jüdische Bevölkerung über das vermeintlich authentische Judentum Osteuropas, das durch zahlreiche Migrant:innen aus den östlichen Ländern der Monarchie um die Jahrhundertwende nach Wien gekommen war, aufgeklärt werden, und nicht zuletzt wollte das Museum Jüdinnen und Juden als einem „Volk der Habsburgermonarchie“ eine Stimme und damit einen Platz im multinationalen Kaiserreich geben.
Die Eröffnung des Jüdischen Museums in Wien geschah in einer Welt, die sich im Umbruch befand und vom erstarkenden Nationalismus gekennzeichnet war – einer Ideologie, die nur 20 Jahre später zum Ersten Weltkrieg führen sollte. Die Gründer des ersten Jüdischen Museums erkannten die Gefahren, die dieser Umbruch für die jüdische Minderheit darstellte - und sie sollten recht behalten. Nur wenige Jahrzehnte nach seiner Eröffnung wurde das Jüdische Museum von den Nationalsozialisten gewaltsam geschlossen und seiner Sammlung beraubt. Die Objekte wurden auf andere Museen verteilt oder gingen verloren. Die Gründerväter wurden wie alle anderen Jüdinnen und Juden in Wien systematisch entrechtet, beraubt, gedemütigt, vertrieben und in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet.
Bis 1988 dauerte es, bis sich die Stadt Wien unter Bürgermeister Helmut Zilk dazu entschloss, das Jüdische Museum Wien wieder zu begründen. Als städtisches Museum wurde es in der Dorotheergasse untergebracht und 1993 feierlich eröffnet.
Auch heute leben wir in einer Welt des Umbruchs – und es braucht keine Museumsgründer, um zu erkennen, dass dieser Umbruch wieder eine wachsende Gefahr für Jüdinnen und Juden und andere Minderheiten darstellt Wieder ist die Demokratie bedroht und steigt der Antisemitismus – und wieder ist es unter anderem das Jüdische Museum Wien, das dagegenhält. Was wir von der Museumsgründung lernen können, ist, dass es mehr braucht, um eine Welt zu retten, als ein Jüdisches Museum: eine starke Zivilgesellschaft. Das Jüdische Museum Wien hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch die Vermittlung jüdischer Kultur und Geschichte und deren Anbindung an die Gegenwart diese Zivilgesellschaft zu stärken, indem es zeigt, wie eine starke Zivilgesellschaft Ausgrenzung entgegenwirken kann und Diversität als Bereicherung und nicht als Bedrohung empfindet. Die Gründerväter des weltweit ersten Jüdischen Museums sahen seine Aufgabe darin, das Verbindende in der Gesellschaft über das Trennende zu stellen und die Vielfalt zu feiern anstatt sie zu verdammen. Und das ist im Grunde auch heute noch die Mission des Jüdischen Museums Wien.
Aus dieser Kontinuität heraus feiern wir heuer unser 130. Jubiläum – und dafür haben wir uns viel vorgenommen. Ich hoffe, Sie und Ihr seid alle dabei: Beim Diskutieren, Schauen, Staunen und nicht zuletzt auch beim Feiern.
Barbara Staudinger
Die Eröffnung des Jüdischen Museums in Wien geschah in einer Welt, die sich im Umbruch befand und vom erstarkenden Nationalismus gekennzeichnet war – einer Ideologie, die nur 20 Jahre später zum Ersten Weltkrieg führen sollte. Die Gründer des ersten Jüdischen Museums erkannten die Gefahren, die dieser Umbruch für die jüdische Minderheit darstellte - und sie sollten recht behalten. Nur wenige Jahrzehnte nach seiner Eröffnung wurde das Jüdische Museum von den Nationalsozialisten gewaltsam geschlossen und seiner Sammlung beraubt. Die Objekte wurden auf andere Museen verteilt oder gingen verloren. Die Gründerväter wurden wie alle anderen Jüdinnen und Juden in Wien systematisch entrechtet, beraubt, gedemütigt, vertrieben und in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet.
Bis 1988 dauerte es, bis sich die Stadt Wien unter Bürgermeister Helmut Zilk dazu entschloss, das Jüdische Museum Wien wieder zu begründen. Als städtisches Museum wurde es in der Dorotheergasse untergebracht und 1993 feierlich eröffnet.
Auch heute leben wir in einer Welt des Umbruchs – und es braucht keine Museumsgründer, um zu erkennen, dass dieser Umbruch wieder eine wachsende Gefahr für Jüdinnen und Juden und andere Minderheiten darstellt Wieder ist die Demokratie bedroht und steigt der Antisemitismus – und wieder ist es unter anderem das Jüdische Museum Wien, das dagegenhält. Was wir von der Museumsgründung lernen können, ist, dass es mehr braucht, um eine Welt zu retten, als ein Jüdisches Museum: eine starke Zivilgesellschaft. Das Jüdische Museum Wien hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch die Vermittlung jüdischer Kultur und Geschichte und deren Anbindung an die Gegenwart diese Zivilgesellschaft zu stärken, indem es zeigt, wie eine starke Zivilgesellschaft Ausgrenzung entgegenwirken kann und Diversität als Bereicherung und nicht als Bedrohung empfindet. Die Gründerväter des weltweit ersten Jüdischen Museums sahen seine Aufgabe darin, das Verbindende in der Gesellschaft über das Trennende zu stellen und die Vielfalt zu feiern anstatt sie zu verdammen. Und das ist im Grunde auch heute noch die Mission des Jüdischen Museums Wien.
Aus dieser Kontinuität heraus feiern wir heuer unser 130. Jubiläum – und dafür haben wir uns viel vorgenommen. Ich hoffe, Sie und Ihr seid alle dabei: Beim Diskutieren, Schauen, Staunen und nicht zuletzt auch beim Feiern.
Barbara Staudinger