23. November 2020
Unter der Lupe

Friedrich Torberg und seine "Tante Jolesch"

von Hannah Landsmann
© Titelbild © JMW
Wussten Sie, dass Friedrich Torberg eigentlich Friedrich Kantor hieß? Dass der Mädchenname seiner Mutter Berg war und so um das Jahr 1930 sein Pseudonym entstand? Dass Friedrich Kantor Wasserball spielte und Mitglied der Hakoah war?
Dieser jüdische Sportclub wurde 1909 gegründet und versammelte einige bekannte Sportgrößen aus den verschiedensten Disziplinen. Friedrich Kantor hatte ein verliebtes Auge auf die Schwimmerin Hedy Bienenfeld geworfen, die dann aber doch ihren Trainer Zsigo Wertheimer heiraten sollte. „Hoppauf Hakoah“ rief man aus, um Spielerinnen und Spieler oder ganze Mannschaften anzufeuern. „Hoppauf Herr Jud!“ entstand laut einem Essay von Friedrich Torberg bei einem Fußballmatch zwischen „Vorwärts 06“ und der Hakoah. Beim Anfeuern rief man Hoppauf und den Namen dessen, der angefeuert werden sollte. Dem anfeuernden Fan war der Name des jüdischen Spielers nicht bekannt. Dieses Match fällt in eine Zeit, in der es üblich war, Jüdinnen oder Juden mit „Saujud“ anzureden. Dies schien dem Fan wohl unpassend.
 
Foto © David Peters
 
Im Augenblick ist nur Profi-Sport erlaubt, auch soziale Kontakte soll man möglichst meiden. Nachdem jetzt alle wieder mehr zu Hause sind, wird bestimmt auch wieder mehr gekocht? Kennen Sie ein gutes Rezept für Krautfleckerl? Die Krautfleckerln, die es auch als süße Variante gibt, haben sogar einen Wikipedia-Eintrag! Weil man nicht immer kochen kann, kann man sich die Zeit auch mit Literatur hervorragend verkürzen. 1975 erschien die Anekdotensammlung „Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes“ von Friedrich Torberg, der in die Schweiz, nach Frankreich und in die USA emigrierte und 1951 nach Österreich zurückkam, ohne die österreichische Staatsbürgerschaft wieder anzunehmen. Ephraim Kishons zweite Ehefrau ist uns durch Friedrich Torbergs Übersetzung als „beste Ehefrau von allen“ bekannt. Friedrich Torberg übersetzte aus dem Englischen, wo sie als „kleine Frau“ bezeichnet worden war. Apropos: Von seiner Witwe Marietta Torberg erhielt das Jüdische Museum Wien 1998 eine optische Brille in einem blaugrünen Kunststoffgestell geschenkt. Warum die seit 1968 von Friedrich Torberg geschiedene Marietta just diese Brille als Geschenk ausgewählt hat, bleibt ein Rätsel. So wie Tante Joleschs Rezept für Krautfleckerl…
 
Foto © David Peters