10. März 2025
Wenn Wissenschaft zur Meinung wird
von Barbara Staudinger
In den letzten Monaten ist nicht nur weltpolitisch, sondern auch in Österreich viel passiert – und es scheint, als würden weltweit jene Kräfte erstarken, die den Weg zur Macht in der Spaltung der Gesellschaft suchen. Die Werte der Aufklärung werden fröhlich in den Mistkübel der Geschichte befördert, jene, die an ihnen festhalten, lächerlich gemacht. In einer Zeit, die von Emotionen geprägt ist, geht es kaum mehr um Bildung, einen zentralen Wert der Aufklärung. Respekt vor wissenschaftlichen Erkenntnissen und Aussagen, ebenfalls ein gesellschaftlicher Grundkonsens der Aufklärung, ist schon länger nicht mehr gegeben. Denken wir nur an die Verhöhnung von Wissenschaftler:innen in der Corona-Pandemie oder an das mittlerweile vertraute Weglächeln wissenschaftlicher Tatsachen wie dem Klimawandel.
In diesem Kontext ist das Urteil, das vor ein paar Wochen am Wiener Handelsgericht in einer Klage des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW) gegen die FPÖ erging, nicht wirklich verwunderlich. Das DÖW hatte die Freiheitliche Partei wegen der Bezeichnung als „unwissenschaftliche Institution“ geklagt.Das Handelsgericht befand, dass dies eine legitime „Wertung“ sei, die sich das DÖW gefallen lassen müsse, würde es doch auch seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in der politischen Öffentlichkeit präsentieren. Darüber wäre viel zu sagen und darüber habe ich bereits einiges gesagt. Nicht nur ist damit der Diffamierung aller Wissenschaft Tür und Tor geöffnet, sondern es ist noch schlimmer, folgt doch das Urteil der Logik eben jener Politik der Anti-Aufklärung: Eine wissenschaftliche Erkenntnis ist in der politischen Öffentlichkeit kein Faktum mehr, sondern eine Meinung, eine wissenschaftliche Institution eine „Meinungsmaschine“, deren Wissenschaftlichkeit jederzeit abgesprochen werden kann.
Wissenschaftlichkeit kann man mit wissenschaftlichen Methoden hinterfragen, wissenschaftliche Erkenntnisse können verifiziert oder falsifiziert werden. In diesem und nur in diesem Rahmen hat sich die Wissenschaft zu bewegen. Teil des Gelöbnisses aller Akademiker:innen ist, der Wissenschaft zu dienen und die Wissenschaftlichkeit hochzuhalten – zum Wohle der Gesellschaft (noch so ein aufklärerisches Relikt). Damit ist Wissenschaftlichkeit nicht einfach ein Prädikat, das politisch unliebsamen Personen oder Institutionen abgesprochen kann, sondern eine Folge der Anwendung wissenschaftlicher Methoden in einem wissenschaftlichen Kontext. So einfach ist es eigentlich.
Warum mich diese Fragen als Museumsdirektorin bewegen? Jedes Museum ist eine wissenschaftliche Institution, an der auch wissenschaftlich ausgebildete Menschen arbeiten. Nicht nur im Kontext unserer Wechselausstellungen und Publikationen arbeiten wir wissenschaftlich, sondern auch im Zuge unserer Arbeit an der Sammlung. Wissenschaft und deren Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit, unter anderem durch das Medium Ausstellung, ist unser Beruf. Schon allein aus diesem Grund kann es uns nicht egal sein, wenn wissenschaftliche Institutionen in der Öffentlichkeit diffamiert werden. Museen sind zudem Institutionen der Aufklärung, in der Überzeugung gegründet, dass Bildung, also die Vermittlung von Wissen, unsere Gesellschaft verbessert.
So sind wir im Jüdischen Museum Wien etwa darum bemüht, Jüdinnen und Juden nicht als „Fremde“, als „Migrant:innen“ darzustellen, sondern zeigen in unseren Dauer- und Wechselausstellungen, dass jüdische Geschichte von Wiener Geschichte nicht getrennt werden kann.Migration gehört zur Geschichte einer Metropole, in der jede:r irgendwann von woanders ka. Wir erzählen von Kulturtransfers, von den verschiedenen Identitäten, die jeder Mensch hat, und zeigen damit, dass Jüdinnen und Juden nicht nur auf diese Identität beschränkt werden können. Wir wirken Vorurteilen entgegen und arbeiten gegen Antisemitismus. Und ja, auch das ist im Sinne der Aufklärung, nach deren Grundsatz alle Menschen gleich sind. Unser Museum zeigt allein durch seine Existenz, was passieren kann, wenn die Wissenschaft als Instrument der Politik missbraucht wird und ihre wissenschaftlichen Grundsätze verliert. Die rassistische Wissenschaft der Nationalsozialisten hatte das Ziel, die „Überlegenheit“ der „arischen Rasse“ zu untermauern und den Völkermord an Jüdinnen und Juden, Rom:nja und Sinti:zze sowie die Vernichtung „unwerten Lebens“ zu legitimieren. Dafür waren alle Mittel recht, auch wenn sie weder wissenschaftlich noch menschlich waren. Die Konsequenzen waren der Holocaust und die Gräueltaten, die im Namen der Wissenschaft begangen wurden. Als jüdisches Museum, das unter anderem davon erzählt, wie im Zuge der Aufklärung die jüdische Bevölkerung rechtliche Gleichstellung erlangte, das eine Bildungseinrichtung ist, die unter anderem von hunderten Schulen als solche genutzt wird, können wir nicht leise sein, wenn die Errungenschaften der Aufklärung in die Tonne getreten werden. Und das werden wir auch in Zukunft nicht.
Apropos Bildung: Bis zum 16. März läuft noch unsere aktuelle Wechselausstellung „Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis“. Wer sich für Holocaust Education interessiert oder sich fragt, wie vom Holocaust erzählt werden wird, wenn die letzten Zeitzeugen gestorben sind, sieht sich diese lehrreiche und berührende Ausstellung an. Ab 2. April widmen wir uns in der Dorotheergasse mit der Ausstellung „G*TT“ dann den „großen Fragen zwischen Himmel und Erde“.
In diesem Kontext ist das Urteil, das vor ein paar Wochen am Wiener Handelsgericht in einer Klage des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW) gegen die FPÖ erging, nicht wirklich verwunderlich. Das DÖW hatte die Freiheitliche Partei wegen der Bezeichnung als „unwissenschaftliche Institution“ geklagt.Das Handelsgericht befand, dass dies eine legitime „Wertung“ sei, die sich das DÖW gefallen lassen müsse, würde es doch auch seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in der politischen Öffentlichkeit präsentieren. Darüber wäre viel zu sagen und darüber habe ich bereits einiges gesagt. Nicht nur ist damit der Diffamierung aller Wissenschaft Tür und Tor geöffnet, sondern es ist noch schlimmer, folgt doch das Urteil der Logik eben jener Politik der Anti-Aufklärung: Eine wissenschaftliche Erkenntnis ist in der politischen Öffentlichkeit kein Faktum mehr, sondern eine Meinung, eine wissenschaftliche Institution eine „Meinungsmaschine“, deren Wissenschaftlichkeit jederzeit abgesprochen werden kann.
Wissenschaftlichkeit kann man mit wissenschaftlichen Methoden hinterfragen, wissenschaftliche Erkenntnisse können verifiziert oder falsifiziert werden. In diesem und nur in diesem Rahmen hat sich die Wissenschaft zu bewegen. Teil des Gelöbnisses aller Akademiker:innen ist, der Wissenschaft zu dienen und die Wissenschaftlichkeit hochzuhalten – zum Wohle der Gesellschaft (noch so ein aufklärerisches Relikt). Damit ist Wissenschaftlichkeit nicht einfach ein Prädikat, das politisch unliebsamen Personen oder Institutionen abgesprochen kann, sondern eine Folge der Anwendung wissenschaftlicher Methoden in einem wissenschaftlichen Kontext. So einfach ist es eigentlich.
Warum mich diese Fragen als Museumsdirektorin bewegen? Jedes Museum ist eine wissenschaftliche Institution, an der auch wissenschaftlich ausgebildete Menschen arbeiten. Nicht nur im Kontext unserer Wechselausstellungen und Publikationen arbeiten wir wissenschaftlich, sondern auch im Zuge unserer Arbeit an der Sammlung. Wissenschaft und deren Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit, unter anderem durch das Medium Ausstellung, ist unser Beruf. Schon allein aus diesem Grund kann es uns nicht egal sein, wenn wissenschaftliche Institutionen in der Öffentlichkeit diffamiert werden. Museen sind zudem Institutionen der Aufklärung, in der Überzeugung gegründet, dass Bildung, also die Vermittlung von Wissen, unsere Gesellschaft verbessert.
So sind wir im Jüdischen Museum Wien etwa darum bemüht, Jüdinnen und Juden nicht als „Fremde“, als „Migrant:innen“ darzustellen, sondern zeigen in unseren Dauer- und Wechselausstellungen, dass jüdische Geschichte von Wiener Geschichte nicht getrennt werden kann.Migration gehört zur Geschichte einer Metropole, in der jede:r irgendwann von woanders ka. Wir erzählen von Kulturtransfers, von den verschiedenen Identitäten, die jeder Mensch hat, und zeigen damit, dass Jüdinnen und Juden nicht nur auf diese Identität beschränkt werden können. Wir wirken Vorurteilen entgegen und arbeiten gegen Antisemitismus. Und ja, auch das ist im Sinne der Aufklärung, nach deren Grundsatz alle Menschen gleich sind. Unser Museum zeigt allein durch seine Existenz, was passieren kann, wenn die Wissenschaft als Instrument der Politik missbraucht wird und ihre wissenschaftlichen Grundsätze verliert. Die rassistische Wissenschaft der Nationalsozialisten hatte das Ziel, die „Überlegenheit“ der „arischen Rasse“ zu untermauern und den Völkermord an Jüdinnen und Juden, Rom:nja und Sinti:zze sowie die Vernichtung „unwerten Lebens“ zu legitimieren. Dafür waren alle Mittel recht, auch wenn sie weder wissenschaftlich noch menschlich waren. Die Konsequenzen waren der Holocaust und die Gräueltaten, die im Namen der Wissenschaft begangen wurden. Als jüdisches Museum, das unter anderem davon erzählt, wie im Zuge der Aufklärung die jüdische Bevölkerung rechtliche Gleichstellung erlangte, das eine Bildungseinrichtung ist, die unter anderem von hunderten Schulen als solche genutzt wird, können wir nicht leise sein, wenn die Errungenschaften der Aufklärung in die Tonne getreten werden. Und das werden wir auch in Zukunft nicht.
Apropos Bildung: Bis zum 16. März läuft noch unsere aktuelle Wechselausstellung „Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis“. Wer sich für Holocaust Education interessiert oder sich fragt, wie vom Holocaust erzählt werden wird, wenn die letzten Zeitzeugen gestorben sind, sieht sich diese lehrreiche und berührende Ausstellung an. Ab 2. April widmen wir uns in der Dorotheergasse mit der Ausstellung „G*TT“ dann den „großen Fragen zwischen Himmel und Erde“.